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Mai 2024

Landessportbünde

Große Teile der Bevölkerung können sich vor Hitze und UV-Strahlung schützen, indem sie Schatten und kühle Räume aufsuchen. Für Sportler ist dies nur bedingt möglich. Wie diese trotzdem ohne erhöhtes Gesundheitsrisiko aktiv sein können, hat der Sportsoziologe Professor Sven Schneider von der Universitätsmedizin Mannheim untersucht.

Herr Professor Schneider, das Jahr 2024 hat uns, was die Temperaturen anbelangt, einen Rekord nach dem anderen beschert. Wenn dies so weitergeht, stellt sich die Frage: Welchen Einfluss haben die steigenden Temperaturen auf unsere Sportgewohnheiten? Darf man künftig überhaupt noch Outdoorsport betreiben?

Wir sprechen in diesem Zusammenhang von Klimaschutz und Klimaanpassung. Klimaschutz kennen wir als die Reduktion von Treibhausgasen. Klimaanpassung bedeutet: Wie können wir mit dem Klimawandel, den wir schon erleben, irgendwie umgehen und uns anpassen. Am Ende der Entwicklung sollte es nicht so sein, dass wir gar keinen Sport mehr treiben können.

Eigentlich kennen Sportler die Notwendigkeit der Gewöhnung an extreme und ungewohnte Temperaturen. Die schnellen Temperaturwechsel, wie wir sie vermehrt erleben, lassen dazu keine Chance. Was empfehlen Sie?

Der sportlich trainierte Körper kann sich besser als jeder andere an eine Hitzewelle anpassen. Mit einem guten Trainingszustand fällt es leichter, auf Hitzewellen mit mehr als 30 Grad zu reagieren. Diese Reaktion nennt sich Akklimatisierung. Unser Körper reagiert dabei auf dreierlei Weise: Erstens setzt die Schweißproduktion früher ein, zweitens schwitzen wir mehr und drittens wird das Blut dünner. Dieser Prozess der Akklimatisierung dauert in der Regel 14 Tage.

In zwei Wochen kann so eine Hitzewelle ja aber schon wieder abgeebbt sein.

Genau, Hitzewellen sind in der Regel viel kürzer, dauern oft nur vier, fünf Tage. In genau diesen Tagen, wenn eine Hitzewelle anrollt, besteht insbesondere bei anstrengendem Sport die Gefahr von Erkrankungen wie Hitzschlägen, Hitzeerschöpfung und so weiter. Das heißt, dass wir gar nicht die Zeit haben, um uns an die Hitzewellen, die uns im Sommer erwarten, ausreichend anzupassen.

Was tun gegen Hitzestress?

Wichtig ist, dass man bereits vor Antritt des Trainings ausreichend trinkt und möglichst lange im Schatten bleibt. Am besten eignen sich leicht gesalzene und kühle Elektrolytgetränke. Während des Trainings ausreichend Trinkpausen machen. Das wird aber noch viel zu selten gemacht, wie wir aus unseren Studien wissen. Und direkt nach dem Training ausreichend trinken.

Gibt es eine Faustregel, wie viel Flüssigkeit man pro Stunde trinken sollte?

Entscheidend ist zu trinken, bevor der Durst kommt, etwa 500 Milliliter vor Trainingsbeginn. Denn der Körper kann pro Stunde drei Liter Schweiß ausdünsten, aber wir können pro Stunde nur einen Liter aufnehmen. Das bedeutet, dass bei einem längeren Training, einem Fußballspiel oder einem Volkslauf eine Dehydrierung unvermeidlich ist. Eine Faustregel besagt: während eines Trainings alle 20 Minuten 200 Milliliter trinken.

Gibt es zusätzlich Methoden abzukühlen?

Innovativ sind Pre-, Per- und Postcooling-Maßnahmen. Bewährt haben sich da Sprühflaschen, die während eines Spiels oder eines Trainings für Abkühlung sorgen. Oder Wassereimer, in die Handtücher eingetunkt werden und damit der Nacken oder die Innenseiten der Arme und Hände gekühlt werden können. In der Kabine können der Kopf oder die Arme unters laufende Wasser gehalten werden. Aber nie auch den Sonnenschutz vergessen, also eine Kopfbedeckung und das regelmäßige Ein- und Nachcremen.

In einer Umfrage nannten die Deutschen Fußball, Tennis, Wandern, Bergsteigen und Klettern, Leichtathletik und Golf als ihre beliebtesten Outdoorsportarten. Wie kann man sich bei diesen Sportarten schützen? Auf dem Fußball- oder Tennisplatz lässt sich kein Zelt aufstellen, damit die Spieler im Schatten spielen können.

Das ist der große Unterschied, den der Sport zu anderen Risikogruppen hat. Während ein Senior oder ein morbider Patient sich in kühle Räume zurückziehen kann, während Kindergartenkinder in klimatisierten Räumlichkeiten spielen können, ist es im Sport oft unvermeidlich, dass wir unsere Sportart im Freien ausüben. Der Fußball-, der Tennisplatz oder das Leichtathletikstadion sind eben nicht überdacht und können nicht beschattet werden. Sportler sind unweigerlich Hitze, UV-Strahlung und anderen Risiken ausgesetzt. Wir gehen beim Sport also freiwillig in die Risikozone.

Wie können sich Sportler schützen?

Um beim Fußball oder Tennis zu bleiben, betrifft dies nicht nur die Spielstätte selber, sondern das gesamte Umfeld. Zum Beispiel eine Beschattung der Auswechselbänke und Coachingzonen, Pausen verlagern in den Schatten oder die gekühlte Kabine, das relativ späte Rausgehen in die pralle Sonne oder das Verlegen des Aufwärmens in eine daneben liegende Halle oder den Schatten. Man kann also um das Fußballspiel oder das Tennismatch herum einiges tun, um die Risiken zu minimieren.

Zu einem Fußballspiel oder einem Tennismatch kommen auch Zuschauer. Die sind auch der prallen Sonne ausgesetzt.  

Das ist noch einmal ein ganz anderer Bereich. Es sind deutlich mehr Menschen risikoexponiert als nur die Spieler. Eben auch die Zuschauer. Oder die Trainer und Kampfrichter, die Offiziellen und ehrenamtlichen Helfer. Die kostenlose Ausgabe von Wasser, von Sonnenschutzcreme, von Kopfbedeckungen, die Beschattung der Trainerbänke oder des Kampfrichtertisches ist in der prallen Sonne nötig.

Können Sie die Gefahren aufzeigen, die drohen?

Wenn wir über Klimawandel reden, denken wir zunächst einmal an Hitze. Aber es kommt noch wesentlich mehr dazu. Die zunehmende UV-Strahlung stellt ein weiteres Risiko dar. Die geht nicht mit Hitzschlag einher, sondern mit Hautkrebs. Ein dritter Aspekt sind Unfall- und Verletzungsrisiken. Ausgetrocknete Grasnarben erhöhen das Verletzungsrisiko. Im Wassersport führen Extremwetterereignisse, Hoch- oder Niedrigwasser, überflutete Ausstiegs- und Umtragestellen – auch da haben wir mit Risiken zu kämpfen. Der vierte Bereich sind inhalative Risiken. Wir haben durch den Klimawandel mehr Belastungen unserer Lungen durch Allergene, durch Feinstaub, durch Ozon. Auch die Infektionen nehmen zu. Zum Beispiel durch mehr Zecken oder neue Stechmückenarten. Der letzte Bereich sind mentale Folgen, wenn ein Leistungssportler regelmäßig seinen Wettkampf abgesagt bekommt oder unter ungünstigen Bedingungen antreten muss.

Die Gefahren eines Zeckenbisses oder Sonnenbrandes bestehen für alle Altersgruppen. Gibt es Risiken, die bei jüngeren oder älteren Menschen höher sind?

Das sind die beiden Hauptrisikogruppen.

Dann lassen Sie uns mit den Älteren beginnen.

In dieser Zielgruppe haben wir Menschen, die oft mehrere Erkrankungen haben. Viele Menschen mit Diabetes wollen und sollen natürlich auch Sport treiben. Bei ihnen ist die Versorgung mit Medikamenten, mit Insulin und den Messstreifen bei Hitze ein großes Thema. Ich möchte aber auch auf die zweite Gruppe, die Kinder und Jugendlichen, zu sprechen kommen. Die befinden sich beim Sport in der Fürsorge und Obhut der Vereine, der Übungsleiter und Trainer. Sie sind aus drei Gründen besonders zu beachten: erstens sind sie körperlich viel vulnerabler als Erwachsene, ihre Haut ist, was etwa Thema Hautkrebs und Sonnenbrände betrifft, viel empfindlicher. Zweitens verstehen sie die Risiken, die von einem Hitzetag, der UV-Strahlung oder Gewittern ausgehen, noch nicht. Und drittens sind sie von uns Erwachsenen als verantwortliche Aufsichtspersonen abhängig. Kleine Kinder kommen gar nicht auf die Idee, selbst in den Schatten zu gehen, wenn’s ums Aufwärmen geht. Während wir Erwachsenen entscheiden können, in die Halle zu gehen und sich runterzukühlen, warten Kinder auf die Anweisungen des Trainers. Das ist das klassische Setting im Training.

Eine besondere Erfahrung hat die Junioren-Sprint-Europameisterin Rosina Schneider bei einem Trainingslager in Jamaika gemacht, als sie dort um 5.30 Uhr morgens trainiert hat. Ist das die Zukunft? 

Das ist momentan für uns noch ungewohnt, aber in zehn oder 20 Jahren wird das vielleicht gang und gäbe sein. In Japan, wo zunehmende Hitze schon länger angekommen ist, sind viele Laufveranstaltungen schon als Night Runs organisiert. Das bedeutet, dass dann einfach sehr spät am Abend gelaufen wird.

Die Marathonläufe waren bei den Olympischen Spielen aus diesen Gründen von Tokio ins weiter nördlich gelegene Sapporo verlegt worden.

Genau. Mitentscheidend war hier übrigens eine Untersuchung des Deutschen Wetterdienstes. Im Vorfeld waren eine Prognose erstellt und die gesundheitlichen Risiken bei diesen extremen Belastungen klar aufgezeigt worden. Erst auf Druck der Ärztekommission des Weltverbandes hin wurde dann entschieden, diese Veranstaltungen sowohl lokal als auch zeitlich zu verlegen. In Zukunft werden wir immer stärker kommerzielle und medizinische Interessen gegeneinander abwägen müssen.

Wenn wir gerade über Japan reden. Dort gilt die blasse Haut als vornehm, während in Europa es unter Sportlern als chic gilt, intensiv braun zu sein. 

Historisch gesehen haben wir eine ganz interessante Entwicklung. Es gab eine Zeit, in der die Blässe bereits vornehm war. Der Adel, der sich nicht auf dem Feld verdingen musste, hat die Blässe durch zusätzliches Pudern sogar noch betont. Die einfache Bevölkerung war dagegen braun, weil sie draußen gearbeitet hat. In den 1980ern und 1990ern – der Zeit der Solarien – war es eher chic braun zu sein. Mittlerweile stellen wir schon in vielen Bevölkerungsgruppen ein Umdenken fest, die vornehme Blässe ist zunehmend wieder ein Schönheitsideal. Schauen wir nur auf die Laufstege. Um beim Sport zu bleiben, gibt es mittlerweile – wie überall in unserer Gesellschaft – ganz unterschiedliche Schönheitsideale.

Geben Sie ein Beispiel.

Einige Radsportler achten auf ihre sogenannten Bräunungskanten – also schon sehr früh in der Saison am Saum von Trikot und Radhose einen solchen gebräunten Übergang zu haben, signalisiert, dass man schon sehr früh und sehr lange im Training ist. Das ist ein Beispiel für ganz spezifische Ideale im Sport. Aufklärung könnte dazu beitragen, das Hautkrebsrisiko klarzumachen. Nicht jeder ist sich dessen bewusst.

Nicht nur Radsportler, sondern auch viele andere Athleten können früher draußen trainieren. Dadurch erhöht sich die Jahresdosis schädlicher UV-Strahlen deutlich. Mit welchen Folgen?

Es gibt im Wesentlichen zwei verschiedene Formen von Hautkrebs – den weißen und den schwarzen. Letzterer ist das Maligne Melanom, eine der tödlichsten Krebserkrankungen überhaupt mit einer sehr schlechten Prognose. Diese Melanome, die häufig aus Muttermalen entstehen, wenn wir zu viel in der Sonne waren, entstehen eher aus massiven Sonnenbränden, also aus Tagen, an denen wir viel zu lange in der Sonne waren. Übrigens sind Sonnenbrände im Kindesalter für schwarzen Hautkrebs besonders relevant. Durch den Klimawandel werden und dürfen wir ja nun auch einfach viel länger im Jahr draußen sein. Und gerade lange Aufenthalte in der Sonne erhöhen auch ganz ohne Sonnenbrand das Risiko für weißen Hautkrebs. Der grundsätzlich besser behandelbar ist als der schwarze Hautkrebs, aber dann oft auch ein ästhetisches Problem darstellt, wenn man einen Teil der Nase oder des Ohres entfernt bekommt. Wir sollten uns also auch an nicht so heißen Tagen immer gegen die Sonne schützen.

Durch die milderen Winter ohne Bodenfrost werden viele Larven nicht mehr abgetötet. Das hat zur Folge, dass mehr Mücken, mehr Zecken früher aktiv sind. Wie schätzen Sie dieses Risiko für Sportler ein?

Ja, eine weitere Folge des Klimawandels ist ein erhöhtes Infektionsrisiko. Zunächst denkt man an Jogger, die durch den Wald laufen. Aber auch die Reiter und deren Pferde, selbst Indoorsportler sind betroffen. Im Trainingslager meiner Handballmannschaft mussten wir zuletzt bei zehn Kindern Zecken entfernen. Darauf sollte man vorbereitet sein. Als Trainer sollte ich in dieser Situation wissen, was ich tun darf und muss. Sind die Eltern informiert? Habe ich eine Erlaubnis der Eltern, die Zecke zu entfernen? Macht das das Kind selbst? Muss ich zum Arzt? Wie wahre ich in so einer Situation – genauso wichtiges Thema – Intimität und Kindeswohl bei Mädchen und Jungen?

Wie sieht die Situation in Baden-Württemberg aus?

Biologen und Infektiologen betonen, dass durch den Klimawandel mittlerweile das ganze Jahr Zeckensaison ist, insbesondere in Süddeutschland. Ich wusste auch nicht, dass Zecken bereits knapp über null Grad auf Wirtssuche gehen. Ganz Baden-Württemberg ist mittlerweile FSME-Risikogebiet (Frühsommer-Meningoenzephalitis; die Redaktion). Es gibt zwar einen Impfstoff gegen FSME, aber leider nutzt noch nicht jeder Sportler diese wichtige Impfung. Zudem werden Dutzende anderer Krankheiten durch Zecken übertragen.

Welche Rolle spielen Schadstoffe in der Luft?

Es gibt drei für Sportler wichtige Schadstoffe Zum einen wird die Feinstaubbelastung aufgrund vermehrter Dürren und regenfreier Perioden steigen. Zum anderen verursacht der Klimawandel im Sommer höhere Ozonbelastungen. Insbesondere in heißen Sommern haben wir eine deutliche Zunahme von Spitzenwerten zu erwarten. Davon sind Sportler insofern besonders betroffen, weil sie ein höheres Atemminutenvolumen haben. Also weil sie durch ihren Ausdauersport deutlich mehr einatmen als die Allgemeinbevölkerung.

Das bedeutet eine zusätzliche Belastung für das Herz-Kreislauf-System neben der Anstrengung durch die Bewegung.

Ultrafeinstäube werden über die Lungen aufgenommen, können bis ins Gehirn vordringen und dort Entzündungsprozesse hervorrufen, aber auch Organe schädigen. Über die dritte Gruppe von Schadstoffen, die Allergene haben wir noch gar nicht gesprochen. Aufgrund des Klimawandels haben wir mehr Pollen, aggressivere Pollen und deutlich länger Pollen in der Luft. Das führt zu Asthmarisiken und Heuschnupfen.

Wir haben ausführlich über das Element Luft gesprochen. Daneben ist das Element Wasser wegen Zunahme von Wasserknappheit ein wichtiges Thema: Welche Konsequenzen gibt es für den Sport?

Bevor wir über die Wasserknappheit sprechen, müssen wir noch über die Wassersportler reden. Die sind von Hitzewellen ebenfalls betroffen. In den Trainingsgewässern bilden sich immer häufiger Cyanobakterien. Diese Blaualgenblüten führen dann dazu, dass auch Wassersportler ihren Sport nicht mehr ausüben können.

Zurück zur Wasserknappheit.

Das ist in allen Sportarten ein großes Thema, besonders aber in Sportarten mit großen begrünten Flächen. Etwa der Golfplatz oder der Fußballplatz.

Der Tennisplatz muss auch bewässert werden.

Stimmt, aber wirklich deutlich mehr Wasser benötigen Grünflächen. Der Deutsche Golfverband ist hier schon sehr weit. Über innovative Konzepte versucht, man massiv Wasser zu sparen. Die Greens und die Fairways, also die Hauptbereiche auf den Bahnen, versucht man weiter grün zu halten. In den USA, in Florida und Kalifornien, kann man längst nicht mehr komplette Anlagen grün halten. Dort spielt man manchmal bereits auf bizarren grau-grünen Mondlandschaften.. In Deutschland versucht man in der Platzpflege durch Anpassung von Saatgut, Bewässerung und Düngung Wasser zu sparen und Anlagen grün zu halten.

Lassen Sie uns in die Hallen gehen. Sind unsere heutigen Sportstätten unter diesen Vorzeichen noch zeitgemäß?

Wir hören unter anderen aus dem Handball, dem Kampfsport, dem Turnen von überhitzten Hallen, sowohl bei Wettkämpfen als auch beim Training. Ganze Gruppen können nicht mehr trainieren, weil deren Trainingshalle entweder nicht energetisch saniert oder unzureichend belüftet ist. Bei einem Kongress des Deutschen Wetterdienstes und der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft wurde jüngst für den gesamten öffentlichen Sektor prognistiziert, dass in absehbarer Zeit sämtliche Anlagen, also Schulen, Sporthallen, Krankenhäuser, Altenheime und Verwaltungseinrichtungen, komplett klimatisiert werden müssen, weil Temperaturen über 25 Grad für die betroffenen Nutzer – oder Arbeitnehmer aus Gründen des Arbeitsschutzes – nicht mehr zu verantworten seien. Dies wird auch unsere vielerorts maroden Sportstätten betreffen. Meines Erachtens werden wir um eine Klimatisierung aller überdachten Sportstätten und Sporthallen nicht herumkommen. Wenn man das über Photovoltaikanlagen mit grünem Strom betreiben kann, dann wäre das machbar. Denn die Alternative wäre, dass wir in Zukunft die Sportstätten im Sommer nicht mehr nutzen können. Und das, da sind wir uns alle einig, ist keine Alternative.

Das bedeutet, dass wir unsere gesamte Infrastruktur, nicht nur die für den Sport, künftig neu planen beziehungsweise umbauen müssen.

Ja, weil viele Sportarten in Zeiten massiver Hitzewellen in die Hallen wechseln werden. Was wenn Fußballer, Leichtathleten und Hockeyteams in die Hallen drängen. Es geht also nicht nur um eine qualitative Verbesserung und Sanierung, sondern auch um eine quantitative Ausweitung. Und wir könnten auch die Außenanlagen besser ausstatten, stärker verschatten.

Was raten Sie dem organisierten Sport bezüglich seinen Wettkampfsystemen und seinem Ligenbetrieb?

Beim Arbeitsschutz, der ja auch mit Hitze, UV, Extremwetter und so weiter umgeht, existieren längst ausgearbeitete Gesetze, Regularien und Maßnahmen, weil Arbeitgeber in Deutschland für die Gesundheit ihrer Arbeitnehmer verantwortlich sind. Dort exisitert ein klarer Rechtsrahmen. Im Arbeitsschutz gibt es das TOP-Prinzip. Das ist die Abkürzung für technische, organisatorische und personenbezogene Maßnahmen. Dieses Prinzip könnten wir uns im Sport hervorragend zunutze machen und von Arbeitsmedizin und Arbeitsschutz lernen. Das würde für uns im Sport bedeuten, dass die Kampfrichterbereiche, die Ersatz- und Zuschauerbänke beschattet werden, dass mobile Sonnenschirme zur Verfügung gestellt werden, dass Sonnenschutzspender aufgestellt werden. Viele Vereine nutzen etwa die ausrangierten Desinfektionsspender aus der Pandemie, um Sonnenschutzmittel für die Athleten auf den Plätzen zur Verfügung zu stellen.

Dies sind technische Maßnahmen, wie könnten organisatorische aussehen?

Hier wären etwa bei massiver Hitze Änderungen des Regelwerkes möglich. Etwa mehr Spielerwechsel, kürzere Spieldauer, zusätzliche Pausen, Kühlpausen, Pausenverlegung in beschattete Bereiche. Als personenbezogene Maßnahme könnten Vereine ihren Spielern Coolpacks und Sprühflaschen zur Verfügung stellen, Wassersprenkler einschalten oder Trainer Hitzesymptome in der Gruppe regelmäßig abfragen.

Das sind praktikable Vorschläge. Sie haben untersucht, wie gut die Sportverbände zum Thema Klimakrise, Klimaanpassung und Prävention aufgestellt sind. Können Sie Ihre Ergebnisse kurz zusammenfassen?

Die wichtige Botschaft ist, die Verantwortung nicht den Athleten allein zu überlassen, sondern als Verein und Verband Strukturen zu verändern und zu schaffen. Der allererste Punkt wäre Aufklärung. Wissen die Athleten um die Risiken? Wissen sie, was sie tun können, um sich vor Zecken, vor Hitze und bei einem UV-Index von 10 zu schützen? Da muss nicht jeder Verein das Rad neu erfinden, sondern hier sind die Verbände gefragt zu sagen: Hier haben wir ein Musterkonzept, das in der Vorbereitung auf eine Veranstaltung, etwa ein Fußballturnier, eine Leichtathletikveranstaltung oder ein Tennisturnier, als Checkliste verwendet werden kann, um die Teilnehmer zu schützen. Topdown, um Ressourcen zu sparen und die ehrenamtlichen Mitarbeiter in den Vereinen zu entlasten und zu unterstüten.

Sollen sich Sportvereine und -verbände bei den kommunalen Hitzeaktionsplänen einbringen?

Natürlich. Vor ein paar Wochen waren bei einer Veranstaltung in Heidelberg die nordbadischen Verbände und lokalen Vereine eingeladen. Weil der Landkreis zusammen mit den Verbänden Sportgroßveranstaltungen durchführt, ist eine Zusammenarbeit sinnvoll. Dabei können die Sportvereine von den Kommunen lernen, umgekehrt können die Kommunen auch von den Sportvereinen lernen. Wie in allen Bereichen ist eine Kooperation nicht nur zwischen Sportarten, sondern auch über den Sport hinaus synergistisch und sinnvoll.

Wie können wir uns auf Extremwetterereignisse vorbereiten? Schlagen Sie den Verbänden sportartspezifischen Aktionspläne vor?

Extremwetterereignisse könnten sein: Hochwasser, denken wir an den Wassersport. Häufigere Gewitter und Blitze mit Risiken für Fußball- und Tennisspieler oder Reiter. Bleiben wir beim Fußball: Für den Schiedsrichter wäre es hilfreich, verbandsseitig klare Regeln an die Hand zu bekommen: Wann breche ich ein Spiel ab? Wie sind die Abläufe? Wann pfeife ich ein Spiel wieder an? In welcher Form binde ich Blitzwarnsysteme ein? Ab wann wird ein Spiel wiederholt? Dann ist er nicht der Buhmann oder gar schuld, wenn etwas passiert, sondern er gibt transparente Regeln, die alle kennen und akzeptieren.

Gibt es schon Verbände, die so etwas haben? 

Der Golfverband hat diese Abläufe dezidiert ausgearbeitet. Auf vielen Plätzen hat man zum Beispiel Blitzschutzhütten. Da können sich Spieler bei einem Gewitter unterstellen. Und es ist klar geregelt, wer wann das Turnier abbricht. Im Fußball gibt es mittlerweile klare Regeln zu Trink- und Abkühlungspausen, sogar mit Zeitvorgaben inklusive Ermessensspielraum des Schiedrichters.

Bei all den negativen Folgen des Klimawandels, sehen Sie auch positive Aspekte durch die kürzeren Winter und längere Outdoorsaison?

Ich hoffe, Ihre Leser verstehen meine Antworten als Motivation, ihr Training noch besser zu machen und nicht als Warnung vor dem Sport. Als begeisterter Sportler und Trainer geht es mir darum, alles zu tun, damit wir und unser Nachwuchs auch künftig noch mit Freude Sport treiben können. Denn natürlich gibt es für die Sportorganisationen auch positive Aspekte. Steigende Temperaturen bedeuten weniger Heizkosten, weniger Räumdienste, weniger Unterhaltskosten.

Und für die Sportler?

Für den Sportler bedeutet ein mehr an UV-Strahlung eine bessere Vitamin-D-Versorgung, ein geringeres Osteoporoserisiko und die Sonne wirkt tatsächlich stimmungsaufhellend. Durch mildere Temperaturen können wir die Outdoorsaison früher starten und später beenden. Das schaufelt Hallenkapazitäten frei, und wir können die Sommerpause verlängern und damit Hitzerisiken reduzieren. Ein letzter Punkt ist ein ganz Spezifischer…

Jetzt wird’s spannend.

Bei explosiven Disziplinen wie in der Leichtathletik sind Temperaturen über 25 Grad sogar förderlich, weil die Kontraktionseigenschaften der Muskulatur davon profitieren und man dann bessere Zeiten läuft.

Können wir also demnächst mit einer Verbesserung des 100-Meter-Weltrekords hoffen.

Naja, in dem Fall sollte man neben dem Thermometer dann aber auch ganz genau auf die Laborbefunde schauen, oder?

Quelle: www.lsvbw.de